Montag, 5. Oktober 2015

Zufälliger Determinismus oder Schrödingers Katze lebte, lebt und wird leben

Gott würfelt nicht Albert Einstein

Zoltán Fábiáns Eröffnung der Ausstellung von Susanna Lakner und Volker Schwarz in der ByArt Galerie in Budapest  1 Oktober 2015



Sehr geehrtes Eröffnungspublikum, sehr geehrte Damen und Herren!
Mit diesem berühmt gewordenen Satz drückte Einstein seine gesamte Skepsis gegenüber der Quantenmechanik konzentriert aus. Er konnte nämlich die Zufälle der Quantenwelt unmöglich akzeptieren. Er beharrte auf seiner Überzeugung, dass unsere Welt determiniert, und folglich vollständig erkennbar sei. Er glaubte zwar oder zumindest hielt er es für vorstellbar, das die Quantenmechanik funktioniert, doch er bestand auf der Existenz von einem erschließbaren „Etwas”, das letztendlich die zufälligen Ereignisse steuert. Dies sollen sogenannte verdeckte Parameter sein. Leider stellte es sich jedoch heraus, dass solche vesteckte Parameter nicht existieren, dass die Quantenmechanick wieder gesiegt hatte und doch der Zufall die subatomare Prozesse regelt. Das heißt, wir können nicht alle Eigenschaften eines Elementarteilchens in Superposition gleichzeitig bestimmen, und wir wissen deshalb nicht, ob Schrödingers Katze noch lebt oder tot ist. Schrödingers Gedankenexperiment veranschaulicht eine Absurdität der Quantenwelt. Kurz die Beschreibung: es gibt eine Kiste und mit einer Katze darin. Neben der Katze befindet sich ein Gerät mit radioaktivem Material, das sich innerhalb einer Stunde abbaut oder auch nicht. Wenn ja, stirbt die Katze, wenn nicht bleibt sie am Leben. Wir können uns erst dadurch über den Zustand der Katze vergewissern, indem wir die Kiste öffnen und nachschauen. Das Dilemma dabei besteht im völlig zufälligen Zustand der Katze vor dem Öffnen. Sie kann leben, sie kann auch tot sein. Die Katze hat demnach einen Wellencharakter. Mit der obigen, möglicherweise etwas absurden Einführung wollte ich signalisieren, wie tief die Natur unser Dasein durch einer Reihe von Zufällen steuert.


Susanna Lakner und Volker Schwarz verlassen sich ebenfalls auf die Zufallssteuerung beim Erschaffen ihrer Kunstwerke. Diese Zufälle sind allerdings äußerst raffiniert. Zumal Zufälle scheinen die felckenartige Flächen, charakteristisch für beide Künstler, hervorzurufen. Bei Lakner sind es Papierfetzen oder herausgerissene Teile von Plakaten mit beinahe frakturartigen, gerissenen Rändern. Bis zu einem gewissen Maß kann die Künstlerin dabei die Flecken bewusst formen, doch Papier ist störrisch. Wie wir alle genau wissen, es reisst nicht immer dort, wo wir es wollen. Bei Schwarz sind die Farbflächen solche störrischen Elemente. Manchmal verbreiten sie sich dick auf dem Leinwand, ein anderes Mal der Kraft der Gravitation nachgebend fließen sie herunter und bilden erneut zufällige Flächen, nicht geplante Ästhetik.
Trotz alldem wäre es falsch zu behaupten, dass sie ihre Kunstwerke nicht bewusst schaffen würden.
Susanna Lakner setzt zufällig entstandene Flächen zu ihrer bewusst aufgebauten Kompositionen, Volker Schwarz überlässt die Endstufe einer Komposition dem Zufall. Den zufälligen Determinisnus, wie im Titel erwähnt, könnten wir dementsprechend auf zufälligen Determinismus – determinierten Zufall umändern, um gleich von einer scheinbaren Katachrese Gebrauch
zu machen. Wir sind quasi wieder bei der Katze angekommen, indem wir keines der künstlerischen Verhalten als primär einstufen können. Beide Zustände können den Zufall zur Ästhetik veredeln, wie es die Ausstellung hier gut demonstriert.
(...) Volker Schwarz ist MALER. Mit lauter großen Buchstaben geschrieben. Ich kenne ihn schon seit langem. Es liegt einfach in seiner Natur. Er kann nicht, und ich hoffe, er will auch nichts anderes sein als Maler. Ein zügelloser Kolorist, der mit verblüffendem Instinkt und mit selbstsicherer Bewusstheit alle blinden Flächen auf seinem „Werkstoff” verschwinden lässt. Ab und zu sind seine Bilder mit dem Wort „ist” beschrieben, das mich sofort an Heidegger und an „Sein und Zeit” erinnert, und das weist vielleicht auf das jeweilige Dasein der künstlerischen Geste und der Kunst selbst hin, sowie auf ihre tiefste Ausdrucksstärke, auf die Frage der ewigen Prüfung von Sein und Nicht-Sein. Sehr geehrte Anwesende! Jetzt, nachdem wir die Kiste aufgemacht und festgestellt haben, das die Katze lebt, können wir, im Gegensatz zum armen Schrödinger, sogar proklamieren, dass sie vor dem Öffnen der Kiste ebenfalls gelebt hat, weil sie – ihrem spielerischen Instinkt nachgebend – das Gerät kaputt gemacht hatte.



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